Hollar und seine Kirche
(Wir danken Hermann Kosch für den Artikel recht herzlich)
Erste Kirche
Mittelpunkt des religiösen Lebens in Hollar war zweifellos die Kirche im Ort. Hollar wie Ockstadt bildeten zusammen mit Bruchenbrücken, Fauerbach, dem untergegangenen Görbelheim, Nieder und Ober Rosbach, Burg und Stadt Friedberg einen Sprengel, der zur Mutterkirche in Straßheim eingepfarrt war. Zwar besaßen die einzelnen Siedlungen Kapellen in denen die jeweiligen Bewohner Gottesdienste abhielten. Das Vorrecht zur Taufe verblieb zunächst aber der Mutterpfarrei. Sämtliche Bewohner mussten daher ihre Kinder nach Straßheim zur Taufe bringen, eine unter Umständen recht unbequeme Lage und in jener Zeit nicht selten gefährliche Situation. Zur Zeit der Eppsteiner Territorialherrn, der Zeit um 1390 kam es dann wohl zur Verselbständigung dieser Kapellen.
Zu Ockstadt stand Hollar nachweislich in einem besonders engen Verhältnis. Daher dürfen wir für dieses Dorf eine ähnliche Entwicklung annehmen. Spätestens jedoch war Hollar im Jahr 1497 eine eigenständige Pfarrei. Gottfried von Cleen bedenkt die Altäre innerhalb seines Herrschaftsbereichs mit einer Stiftung, die mit der Fertigstellung seiner neuen Burg (1495) im Zusammenhang gesehen wird. Dem Bartholomäusaltar in der Kirche zu Hollar ließ er 8 Gulden zukommen und es muss uns daher nicht verwundern, wenn im Hochaltar unserer Pfarrkirche daher Jakobus und Bartholomäus neben den Apostelfürsten Petrus und Paulus in Form zweier Plastiken zu beiden Seiten des Kreuzes eingestellt sind. Ältere Mitbürgerinnen und Mitbürger erinnern sich der Beliebtheit ihres Kirchweihfestes, das über Generationen hinweg alljährlich am letzten Sonntag nach Bartholomäus, nach dem 24. August also, gefeiert und in Erinnerung an Hollar begangenwurde.
Wiederaufbau bis heute
Nur Reste der Pfarrkirche von Hollar bleiben offenbar erhalten und unter Friedrich Gottfried von Franckenstein (+ 1738 Ockstadt, Bild rechts), wurden diese 1722 zum Wiederaufbau genutzt, wie es der Bogen über dem Eingang zur Hollarkapelle bezeugt. Rein äußerlich weist dieser schlichte Neubau der Barockzeit keine architektonischen Merkmale seiner Epoche auf. Aufschlussreich ist die Jahreszahl 1726, die unter der Nische über der Altarplatte eingemeißelt nachzulesen ist. Sie kam bei der Innenrenovierung der Hollarkapelle im Jahr 2001 zum Vorschein, wird aber durch den Holzaltar wieder verdeckt. Wir dürfen
daher annehmen, dass die Errichtung der Kapelle je nach Zeit und den verfügbaren Mitteln erfolgte, vier Jahre also dauerte.
Der Beweggrund, warum das Familienwappen des evangelischen Adelsgeschlechts der Freiherrn Löw von und zu Steinfurth an der südlichen Wandfläche im hinteren Bereich der Kapelle eingelassen ist, bleibt Spekulationen überlassen. Neuerdings trägt dies einen Farbanstrich, der roten Sandstein vermuten läßt. Fest steht: Friedrich Gottfried von Franckenstein und August Heinrich Leopold von Löw zählten zur Ritterschaft der Burg Friedberg und vertraten diese in der Mittelrheinischen Ritterschaft. Hier muss es Misshelligkeiten gegeben haben, die 1722 durch eine Übereinkunft beigelegt wurden.
Über die Bedeutung des Kirchleins für seine Pfarrkinder berichtet uns Pfarrer Keller in seinen Aufzeichnungen aus dem Jahr 1857: „Am Tag des hl. Markus“, so schreibt er, „wird die Prozession zur Hollarkapelle geführt und die Predigt in derselben gehalten, der einzige öffentliche Gottesdienst der daselbst stattfindet. Sonst aber wird sie an den Sonn- und Festtagen nach dem Nachmittagsgottesdienst, wie auch zu anderen Zeiten von den Ockstädtern fleißig besucht, um die Privatandachten zu pflegen.“
am 21.5.1864 wurde im Intelligenzblatt eine Anzeige zur Versteigerung verschiedener Arbeiten veröffentlicht.
fl = Gulden oder Floren
kr = Kreuzer
72 Kreuzer entsprachen einem Goldgulden.
In Deutschland war der Kreuzer bis zur Einführung der Mark 1871 in Gebrauch.
Um 1700 besaß ein Gulden etwa die Kaufkraft, die 2009 40–50 Euro entspräche.
1747 musste beispielsweise in der Grafschaft Sayn-Altenkirchen für einen Gulden ein Meister zwei Tage, ein Geselle etwa 2½ und ein Tagelöhner drei Tage zu jeweils 13½ Arbeitsstunden an den herrschaftlichen Bauten arbeiten.
1 fl. 1869: 6,24 Euro
1 fl. 1894: 5,93 Euro
Dieser Link zum Bildarchiv Foto Marburg zeigt die Grablegung, die sich jetzt in der St. Jakobuskirche befindet, um 1910 in der Hollarkapelle:
https://www.bildindex.de/document/fto00235577?eid=http%3A%2F%2Fcollection.fotomarburg.de%2Fthing%2F0000078526
Diese beiden Links zum Bildarchiv Foto Marburg zeigen die Hollarkapelle einmal:
nach einem Sturmschaden 1910:
https://www.bildindex.de/media/obj20265048/fm1605080
und einmal Ansicht von Nordwesten mit Biberschwanzeindeckung ca.1920
https://www.bildindex.de/media/obj20265048/fm926492
Immer mehr drohte der Kapelle in den Jahren nach dem Kriege 1914/18 der Untergang. Das Gebälk des Dachstuhles war derart zermürbt, dass das ganze Gebäude zusammenzustürzen drohte. Dank der rastlosen Tätigkeit des Herrn Pfarrers Kissel und der Beihilfe der Ockstädter Ortseinwohner konnte im Jahre 1931 die Restaurierung durchgeführte werden. Durch diese Renovierung ist die Hollerkapelle und insbesondere ihre Geschichte mehr in das Interesse der Öffentlichkeit gerückt.
Nach 35 Jahren nimmt sich die freiwillige Feuerwehr Ockstadt der Kapelle an. Die Wehr war Hauptinitiator der Renovierung der Hollarkapelle, die sich heute noch im schmucken Gewand präsentieren kann.
Wie kam es zu dieser Renovierung?
Am 19.2.1966 wird am Stammtisch in der Gaststätte „Bayrischer Hof“ in der Brunnenstrße (heutige Borngasse) der Gedanke zur „Renovierung der Hollarkapelle“ geboren. Der Bayrische Hof war das Vereinslokal der Freiwilligen Feuerwehr. Zum Stammtisch zählen Josef Ewald, im Volksmund als Metzjer bekannt und Wehrführer der Freiwilligen Feuerwehr, Rudi Welkoborsky, Horst Dönges, Karl-Günter König, sowie Malermeister Karl Nagel aus Bönstadt.
Der Malermeister Karl Nagel erklärte sich bereit, das Projekt in Angriff zu nehmen, wenn ihn die Freiwillige Feuerwehr mit Material und Hilfskräften unterstützen würde.
Johanna Welkoborsky hält bei Mitgliedern der Freiwilligen Feuerwehr und Bekannten für diese Zielsetzung um Spenden an.
Für die Feuerwehrkameraden war dies ein leichtes.
In der rechten Spalte sehen Sie den etwas lustigen Vertrag, den die Stammtischbrüder damals schlossen. Dieser Vertrag wurde in einer Flasche im Südgiebel der Kapelle vermauert.
Man könnte sie auch als Vorläufer des Hollar-Kapellen-Vereins sehen.
Kurt ist der Inhaber des" Bayrischen Hofes" Kurt Gröninger.
Ein Mann – ein Wort !!!
Am Vortage der heiligen Fassnacht, am 19.2.1966,
versprechen wir uns gegenseitig, bessere Männer zu werden.
Darum beschlossen wir, dem Alkohol zum Trotz, unseren Frauen und Müttern zur Freude, hier an dieser heiligen Stätte ein gutes Werk zu vollbringen.
Wir wollen bestrebt sein, an der Außen- und Innenrenovierung dieser Kapelle, alles zu tun und da mit zu helfen, was in unseren Kräften steht.
Unseren Kindern und Kindeskindern soll das erhalten bleiben, was unsere Vorfahren uns gegeben.
Die Gottesmutter, die wir hier verehren,
möge bei Gott uns eine gute Fürsprecherin sein, damit unsere Arbeit mit Liebe und Freude gelinge.
Und wenn wir dann wieder mal einen über den Durst getrunken haben, dann soll sie uns verzeihen, denn wir sind ja doch die alten „Stammtischbrüder“ vom Kurt.
Wir zeichnen:
Josef Ewald Rudi Welkoborsky Karl Nagel
Horst Dönges Karl-Günter König
Ockstadt, den 1. März 1966
Schnell sprach sich der Plan im Ort herum und die ersten Spenden gingen ein. Durch die große Spendenbereitschaft der Ockstädter konnten bald die notwendigen Materialien gekauft und die Kapelle eingerüstet werden. In der ersten Euphorie, wurde gleich damit angefangen den maroden Außenputz abzuschlagen, ohne den Pfarrer oder den Kirchenstiftungsrat (heute Pfarrverwaltungsrat) zu informieren. Dies wurde aber schnell nachgeholt und man hat auch grünes Licht bekommen.
Mit so viel aktiver Mithilfe hatte der Malermeister Nagel nicht gerechnet. Die Kapelle wurde zuerst außen und sodann innen renoviert. Die Ockstädter Bürger Heinrich Witzenberger und Otto Weil stifteten sogar eine kleine Glocke, die vor Gottesdiensten in der Kapelle regelmäßig geläutet wird.
Die Kapelle wurde grundlegend saniert und selbstverständlich half hier die Freiwillige Feuerwehr tatkräftig mit. Sie übernahm auch die Erdarbeiten, um die Fundamente zu isolieren. Die Dachrinnen wurden erneuert. Ein neuer Außenputz aufgetragen. Der Innenanstrich erneuert. Die Tür wurde neu verkleidet, ein Glockenstuhl für die neue Glocke angefertigt, die Empore mit einem Bodenbelag versehen. Fritz Trillhase stiftete eine Bibel.
Der Außenbereich wurde von Alfons Dienst an unebenen Stellen mit Erde aufgefüllt und mit Gras eingesät. Auch stiftete er den Sand aus seiner Sandkaute. Bäume wurden gefällt, Sträucher wurden gesetzt, die Franz Josef Klein besorgt hatte, 3 Sitzbänke wurden installiert, Bäume wurden gepflanzt, der Eingangsbereich zum Weg mit Pfosten und Ketten abgegrenzt.
Am Ende konnte mit Pfarrer Ernst Metzger im Bayrischen Hof Richtfest gefeiert werden.
Innenputzsanierung 2001
Der Innenputz der Kapelle bestand aus einem Lehm Stroh Gemisch. Da sich immer wieder Stücke von der Wand lösten, sollten die Fehlstellen wieder mit einem Stroh Lehm Gemisch nachgebessert werden. Dies sollten Lehrlinge machen, um diese Technik zu erlernen. Der passende Lehm und das Stroh wurden besorgt, aber als es losgehen sollte, fand man heraus, dass der gesamte Putz fast überall Hohlstellen zur Wand aufwies. Deshalb musste der ganze Putz abgeschlagen werden. Danach wurde ein Sanierungputz aufgetragen.
Auch die Glasfenster wurden saniert. Eingeworfene Scheiben wurden erneuert und Außengitter angebracht, damit Steinewerfer keine Chance hatten. Josef Markgraf und seine Frau Poldi reinigten die noch verbliebenen alten Glasscheiben mit Stahlwolle.
In all den Jahren hat sich mittlerweile ein fester Helferstamm gebildet, der jedes Jahr vor der Prozession an Christi Himmelfahrt das Gras mäht, das Innere der Kapelle reinigt und kleinere Reparaturen erledigt. Eine Gedenktafel an der Eingangsseite angebracht, erinnert daran.
Im Juli 1991 übernahm die Feuerwehr erneut mit Bagger und Presslufthämmern das freilegen der Fundamente. Die Fundamente wurden isoliert eine Dränage gelegt sowie das Wasser des Daches abgeführt. Ein besonderes Lob gebührt hier Karl-Heinz Mörler.
1993 begann noch einmal eine sehr umfangreiche und kostenintensive Restaurierung. Das Dach wurde neu gedeckt. Hierzu wurden rund 300.000 DM eingesetzt, die zur Hälfte von der Gemeinde sowie der Diözese aufgebracht wurde. Sie konnte im Jahre 1995 abgeschlossen werden. Mit einer Eucharistiefeier, zelebriert durch Pfarrer Dr. Horst Gebhardt und den Geistlichenrat Bruno Klein, wurde die Hollarkapelle am 2. Juli 1995 erneut geweiht.
Zur schlichten Ausstattung der Kapelle zählt heute neben dem Altar das Vermächtnis des Hobbybildhauers Joachim Oczko, eine aus Kirschbaumholz geschnitzte Madonna. Oczko vom Amt für Landwirtschaft und Landentwicklung in Friedberg ist den Ockstädtern seit den 1960er Jahren als ständiger Berater im Obstanbau bekannt, besonders aber im Anbau von Süßkirschen. Oczko hat die nahezu ein Meter hohe Statue als Rohling erworbenen und nach vielen Monaten fast fertig gestellt. 1995 stirbt Oczko. Der Holzschnitzer August Stetzer aus Rosbach nimmt sich Jahre darauf des unvollendeten Werkes an und nimmt notwenige Nachbesserungen vor, so dass das Bildnis Mariens 2007 hier aufgestellt werden kann.
Heute ziehen wir als Gottesdienstgemeinde an Himmelfahrt zur Hollarkapelle und genießen insbesondere an sonnigen Tagen die Harmonie der Schöpfung Gottes. Ähnliche Eindrücke nehmen unsere evangelischen Mitchristen auf, wenn sie in der Hollarkapelle Gottesdienst feiern und an Pfingsten hier ihr Pfarrfest ausrichten. So betrachtet ist die Kapelle von Hollar mehr als ein architektonisches Kulturgut und eine stumme Zeitzeugin, die es zu pflegen und zu unterhalten gilt.